10 Punkte zur Diskussion über die Unterbringung Geflüchteter

Pressemitteilung

30.01.2023
Geflüchtete Menschen brauchen Schutz vor Krieg und Verfolgung. Unsere Aufgabe ist es, sie aufzunehmen, eine würdige Unterbringung zur Verfügung zu stellen und für ihre physische und psychische Sicherheit zu garantieren.

Mit Sorge betrachten wir die Entwicklung beim Blick auf Geflüchtete.

In den vergangenen Tagen hat es im öffentlichen Diskurs eine Reihe von Beiträgen gegeben, die dazu führen können, dass sich Alltagsrassismen verstärken, dass offener Rassismus und Rechtsextremismus bestätigt werden und dass weitere Aktionen wie in Upahl und Loitz stattfinden.

Der Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern e.V. formuliert deswegen seinen Beitrag zur aktuellen Debatte und erklärt, was Land und Kommunen tun sollten:

1.      Die rechtlichen Grundlagen für die Aufnahme Geflüchteter stehen nicht zur Debatte. Das Land ist zuständig für die Unterbringung Geflüchteter und verteilt diese auf die Kommunen. Die Kommunen sind verpflichtet, die Menschen unterzubringen und erhalten im Gegenzug alle notwendigen Kosten durch das Land erstattet. Seit Monaten fordert das Land die Kommunen auf, weitere Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen. In diesem Zusammenhang von notwendiger „Abschiebung“ zu sprechen, führt in den Köpfen zu einer unzulässigen Vermischung der Themen.

2.      Wer Schutz benötigt, ist international vorgegeben und gesetzlich klar geregelt. Es wird in Asylverfahren oder bereits bei der Registrierung festgestellt. Untergebracht werden müssen die Menschen trotzdem.

3.      Instrumentalisierung des Themas durch Rassist*innen und Rechtsextreme darf nicht erfolgreich sein. Der Staat und die Kommunen dürfen nicht vor menschenfeindlichen Argumenten einknicken. Insofern muss auf Veranstaltungen zur Information von Bürger*innen ganz klar kommuniziert werden. Ein Verweis auf andere Ebenen macht die eigene Position unklar.

4.      Die Unterbringung muss mit Augenmaß erfolgen. Eine Kommune kann sich einerseits aus rechtlichen Gründen nicht gegen die Unterbringung aussprechen. Die Zahl der untergebrachten Geflüchteten muss andererseits im angemessenen Verhältnis zur Einwohnerzahl stehen. Im dünnbesiedelten ländlichen Raum mit seinen sehr kleinen Gemeinden und Siedlungen ist aus diesem Grunde eine dezentrale Unterbringung in Wohnungen angemessen. Sie spart im Gegenzug Kosten bei der Bewachung, bei Sicherheitsdiensten, beim Zaunbau u.v.a.m. Kommunen müssen das entsprechend gegenüber dem Land durchsetzen.

5.      Die Unterbringung muss humanitär sein. Sie muss jenseits von Zäunen vor allem Kontakte zwischen den Neuzugewanderten und der Mehrheitsgesellschaft ermöglichen. Der Zugang zu gesellschaftlichen Dienstleistungen muss möglich sein. Menschen brauchen den Zugang zum ÖPNV, zu Einkaufsmöglichkeiten für den täglichen Bedarf, zu Gesundheitsdienstleistungen, zum Rechtsanwalt oder zu Beratungsstellen. Die Einrichtung von Zelt- und Containerlagern sind ebenso zu vermeiden wie eine dauerhafte Unterbringung in Turnhallen.

6.      Integration muss von Anfang an ermöglicht werden, weil anfangs ggf. nicht klar ist, wer bleibt. Dauerhafte Zurückweisung und Ausgrenzung von Menschen ist unmenschlich und kann sich traumatisierend auswirken und teuer werden. Staatliche Ausgrenzung von Menschen bestätigt ausgrenzende Einstellungen in der Gesellschaft. Dies gilt sowohl für rechtliche und faktische Ausgrenzung als auch für die Ausgrenzung mit Worten.

7.      Die Kommunikation über den Bedarf von neuen Unterbringungsmöglichkeiten darf nicht das Thema „Belastung“ in den Vordergrund stellen. Es geht nicht um das OB Menschen aufgenommen werden, sondern um das WIE. Wer von Zwang, Überforderung oder zu hohen Kosten spricht, ruft diejenigen auf den Plan, denen Internationales Recht wie die Genfer Flüchtlingskonvention ebenso egal ist wie die Würde des Menschen. Wer gegenüber Protestierenden vorrangig äußert, man „könne ja nicht anders“, man „stehe mit dem Rücken an der Wand“, suggeriert diesem, er sei eigentlich der gleichen Meinung.

8.      In einer zivilisierten und demokratischen Gesellschaft steht es jedem Menschen frei, seine Bedenken zu äußern. Antisemitische, rassistische und menschenverachtende Äußerungen haben mit Bedenken jedoch nichts zu tun. Sie sind Ausdruck demokratiefeindlicher Kräfte, deren einziges Ziel es ist, ihre ewig gestrigen, gefährlichen Anfeindungen und Vorurteile gesellschaftsfähig zu machen. Wer solchen Menschen und deren Ideologien folgt und diese unreflektiert wiederholt, macht sich der geistigen Brandstiftung schuldig. Veranstaltungen, auf denen solche Äußerungen fallen, müssen umgehend abgebrochen werden. Personen, die sich antisemitisch, rassistisch und menschenverachtend äußern, müssen des Saales verwiesen werden – zur Not mit polizeilicher Unterstützung.

9.      Versammlungen, die von solchen demokratie- und verfassungsfeindlichen Kräften dominiert werden, müssen aufgelöst bzw. – wenn dies aus dem Aufruf bereits hervorgeht – verboten werden.

10.   Die über 20 Jahre alten und damit veralteten rechtlichen Grundlagen für die Unterbringung in Mecklenburg-Vorpommern sind dringend zu überarbeiten (GUVO MV, Richtlinie für den Betrieb und die Betreuung in Gemeinschaftsunterkünften). Sie stammen aus einer Zeit, als Mecklenburg-Vorpommern kaum Geflüchtete aufnehmen musste. Dies ist eine langjährige Forderung des Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern e.V. und wurde im Jahr 2021 auch von vielen weiteren Verbänden unterstützt: https://www.fluechtlingsrat-mv.de/?s=gemeinschaftsunterbringung.