„Gemeinschaftsunterkünfte sind nach Größe und Ausstattung menschenwürdig zu gestalten.“

„Gemeinschaftsunterkünfte sind nach Größe und Ausstattung menschenwürdig zu gestalten.“[1]

Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern kritisiert kasernierte Unterbringung in großen abgelegenen Dschungelheimen

Pressemitteilung

Angesichts der Eröffnung von Gemeinschaftsunterkünften im Wald bei Negast im Landkreis Vorpommern-Rügen und in einer Kaserne im Wald in Dabel im Landkreis Ludwigslust-Parchim kritisiert der Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern den Sinneswandel der Landesregierung und der Landkreise bei der Unterbringung Geflüchteter im Asylverfahren.

Wie zu Beginn der neunziger Jahre werden nun wieder Kasernen und ähnliche Objekte, die weit außerhalb von Ortschaften liegen und über keinerlei Infrastruktur wie Nahverkehrsanbindung oder Einkaufsmöglichkeiten verfügen, angemietet und für die Unterbringung hergerichtet. Es gibt dort keinen Zugang zu medizinischer Behandlung, zu Rechtsanwält*innen und rechtliche Begleitung im Asylverfahren. Mit dieser Art der Unterbringung hat Deutschland bislang keine guten Erfahrungen gemacht: Sind diese Einrichtungen groß, entwickelt sich über die Jahre ein Mikrokosmos. Eine Art Lagerleben bildet sich heraus.

Nach Protesten wurden deswegen im Juli 2001 die Verordnung über Mindestanforderungen an Art, Größe und Ausstattung von Gemeinschaftsunterkünften (Gemeinschaftsunterkunftsverordnung – GUVO M-V) erlassen und in der Folge nach und nach diese so genannten Dschungelheime geschlossen. Das ist zwanzig Jahre her. Die in dieser Verordnung formulierten Mindeststandards sind schllecht genug und werden so gut wie nie überschritten. Beispielsweise gibt es 6qm Privatsphäre pro Person, allerdings in Mehrbettzimmern, 15 Männer teilen sich eine Toilette usw

Es gibt aber einen Grundsatz, der neuerdings nicht mehr eingehalten wird und der lautet: „Um die Teilnahme am Gemeinschaftsleben zu ermöglichen, dürfen Gemeinschaftsunterkünfte nur in oder im Anschluss an einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil eingerichtet werden.“ (§ 2 Abs. 2 GUVO M-V).

Diese Nichteinhaltung kritisiert der Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern aufs Heftigste. Die beispielsweise im Landkreis Ludwigslust-Parchim gelobte „Dorf-in-Dorf-Unterbringung“ ist nichts Anderes als Separation und hat mit Teilnahme am Gemeinschaftsleben nichts zu tun.

Asylverfahren dauern nicht selten mehrere Jahre. In Bezug auf die Integration sind dies verlorene Jahre, wenn Menschen derart separiert werden.

Ehrenamtliche Helferkreise können bei Gemeinschaftsunterbringung im Ort auch helfen, Integrationshürden zu überwinden, indem sie Fahrdienste in die nächste Stadt oder niedrigschwellige Sprachkurse oder Hausaufgabenhilfe für die Kinder anbieten. Wenn aber die Unterkunft schon fast oder halb so groß ist wie das ganze Dorf, überfordert man dieses Angebot.

Der Flüchtlingsrat fordert die zuständigen Behörden dazu auf, sich wieder auf den ersten Satz der Grundsätze und Ziele zu besinnen: „Gemeinschaftsunterkünfte sind nach Größe und Ausstattung menschenwürdig zu gestalten.“


[1] Satz 1 des § 2 Grundsätze und Ziele der Gemeinschaftsunterkunftsverordnung M-V