Ausländerbehörden versenden Desinformationsschreiben

Der Flüchtlingsrat M-V e.V. kritisiert die landesweit verschickten Schreiben an Asylsuchende und Betriebe zum Arbeitsmarktzugang. Die Briefe enthalten Drohungen und haben unter Umständen negative Folgen für die Betroffenen: die Asylsuchenden und ihre Ausbildungsbetriebe.

Die Ausländerbehörden in Mecklenburg-Vorpommern verschicken nun schon seit Monaten Schreiben an Menschen im Asylverfahren und deren Ausbildungsbetriebe, die über mögliche Folgen des negativen Ausgangs des Asylverfahrens aufklären sollen, aber tatsächlich in vielen Fällen zur Verunsicherung der Betroffenen beitragen.
Der Flüchtlingsrat erhält deswegen verstärkt Nachfragen sowohl vonseiten der Ausbildungsbetriebe als auch von Flüchtlingen, die mit diesem Schreiben im besten Fall nichts anfangen können und nachfragen, was es damit auf sich habe.

Ein besonderer Fall wurde uns in der vergangenen Woche bekannt: Ein Flüchtling sollte mit seiner Unterschrift die persönliche Belehrung bestätigen. Das Schreiben ging ihm jedoch per Post zu, die „persönliche Belehrung“ fehlte.

„Das ist der Gipfel der Trickserei, um Asylsuchende möglichst umgehend loszuwerden. Das Schreiben ist eine gefährliche Desinformation. Denn Personen im Asylverfahren ist Passbeschaffung nicht zumutbar, somit sind auch Sanktionen nicht haltbar 1). Über den Ausgang des Asylverfahrens entscheidet das Bundesamt und nicht die Ausländerbehörde. Geflüchtete gefährden mit einem Botschaftsbesuch ihr Asylverfahren oder gar ihren Schutzanspruch.“, erklärt Ulrike Seemann-Katz, Vorsitzende des Flüchtlingsrat M-V. „Mit Deutschen würden sich Behörden ein solches Vorgehen nicht trauen. Und wenn doch: Es wäre ein Skandal.“

Der Flüchtlingsrat warnt Flüchtlinge im Asylverfahren ohne Beratung den Anweisungen des Schreibens Folge zu leisten. Im Falle der Feststellung der Flüchtlingseigenschaft darf der Pass
gar nicht beschafft werden. 2)

Ausländern, die während des Asylverfahrens einen Pass beschaffen, kann der Botschaftsbesuch als fehlendes Schutzbedürfnis ausgelegt werden.
Das Schreiben ging in diesem speziellen Fall im Übrigen an einen Afghanen. Es enthält unsinnigerweise einen Passus für Geflüchtete aus den so genannten sicheren Herkunftsländern.
Zu diesen Ländern gehört Afghanistan aber nicht 3). Auch dies trug zur Verwirrung bei. Hier wird mit Textbausteinen gearbeitet, die nicht auf jeden Fall passen.

Betriebe, die ein Schreiben dieses Inhalts zugeschickt bekommen, wird der Abbruch des Ausbildungsverhältnisses angedroht. Im beiliegenden Fax aus dem September 2017 hätte es fast
zu einem Zurücktreten des Betriebes vom Ausbildungsvertrag geführt. Eine Beratung konnte das abwenden.

Für den Fall, dass das Asylverfahren dann negativ ausgeht, hat der Gesetzgeber mit der Einführung der so genannten „3+2-Regelung“ die Sicherheit für die Ausbildungsbetriebe im
Blick gehabt. Es geht um ein Entgegenwirken gegen den Fachkräfte- und Auszubildendenmangel. Wenn bereits während des Asylverfahrens eine Ausbildung begonnen wurde, ist bei
Vorliegen aller Voraussetzungen eine Ausbildungsduldung zu erteilen. Dieser politische Wille des Gesetzgebers darf nicht auf kaltem Wege in Form der Verweigerung einer Arbeitserlaubnis
ausgehebelt werden. Dies aber scheint das Ziel des anliegenden Schreibens zu sein.
Darüber hinaus können Asylsuchende bereits während des Asylverfahrens durch die Bundesagentur für Arbeit (BA) gefördert werden. Dies betrifft in besonderem Maße Geflüchtete
aus Ländern mit guter Bleibeperspektive: Iran, Irak, Syrien, Somalia, Eritrea und Jemen. Im vergangenen Jahr zählte die BA auch Afghanistan dazu.
„Wenn die Rede vom Fachkräftemangel ernstgemeint ist und wenn die Arbeitsmarktförderung nicht vergeblich gewesen sein soll, dann ist es jetzt an der Zeit, dass die Ausländerbehörden
richtig informieren statt zu belehren. Der Bund möge für die Auszubildenden statt einer bloßen Duldung ein Aufenthaltsrecht schaffen.“, so Seemann-Katz.

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1) BT-Drs. 18/13329 vom 16.08.2017
„Die Bundesregierung geht davon aus, dass den Ausländerbehörden die Rechtslage zur Mitwirkungspflicht bekannt ist und dass Asylsuchende während des laufenden Asylverfahrens nicht zur Passbeschaffung an ihre Heimatbotschaften verwiesen werden dürfen.“

2) § 72 AsylG: (1) Die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erlöschen, wenn der Ausländer
1. sich freiwillig durch Annahme oder Erneuerung eines Nationalpasses oder durch sonstige Handlungen erneut dem Schutz des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, unterstellt,
1a. freiwillig in das Land, das er aus Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder außerhalb dessen er sich aus Furcht vor Verfolgung befindet, zurückgekehrt ist und sich dort niedergelassen hat,
2. nach Verlust seiner Staatsangehörigkeit diese freiwillig wiedererlangt hat,
3. auf Antrag eine neue Staatsangehörigkeit erworben hat und den Schutz des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er erworben hat, genießt oder
4. auf sie verzichtet oder vor Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung des Bundesamtes den Antrag zurücknimmt.
(2) Der Ausländer hat einen Anerkennungsbescheid und einen Reiseausweis unverzüglich bei der Ausländerbehörde abzugeben.

3) Anlage II zu § 29 AsylG: (Fundstelle: BGBl. I 2015, 1725)
Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, ehemalige jugoslawische Republik
Montenegro, Senegal, Serbien
Fußnote: die Aufnahme von Ghana ist mit dem GG (100-1) vereinbar gem. BVerfGE v. 14.5.1996 I 952 – 2 BvR 1507/93 u. 2 BvR 1508/93 –