Abschiebungen in ein Land, in dem Menschen bittere Not leiden

Photo: Jim Huylebroek/UNHCR

Morgen, am Nikolaustag, soll wieder ein Abschiebeflieger nach Afghanistan gehen. Der Flüchtlingsrat M-V e.V. fordert weiterhin, keine Menschen in Lebensgefahr zu bringen und ab sofort alle Abschiebungen nach Afghanistan auszusetzen.

Stattdessen möge die Bundesregierung – egal ob gewählt oder geschäftsführend – endlich eine Neubewertung der Sicherheitslage in Afghanistan vornehmen.

Afghanistan ist nicht sicher – jeder Mensch, der dorthin abgeschoben wird, ist potenziell mit dem Tode bedroht. Die Vereinten Nationen sprachen in ihrem gestern (04.12.2017) veröffentlichten Bericht zur Not-Analyse Afghanistan von einem der gefährlichsten Länder der Welt. Millionen Menschen vor Ort befinden sich in lebensbedrohlichen Situationen.

„Afghanistan is one of the world’s most complex humanitarian
emergencies, characterised by escalating conflict, causing
over one million people to be living in new and prolonged
displacement.“

"Afghanistan ist eines der Länder der Welt mit den 
komplexesten humanitären Notlagen, gekennzeichnet durch 
eskalierende Konflikte, wodurch über eine Million Menschen 
in neuer und längerer Vertreibung oder Flucht leben muss."

Die UN sagen voraus: Im Jahr 2018 werden 3,3 Millionen Menschen lebensbedroht sein. Verletzungen der internationalen humanitären Hilfe und der Menschenrechtsgesetze sind alltäglich. Berichte von Hinrichtungen, Entführungen und Attacken auf zivile Infrastruktur werden immer häufiger.

Afghanistan 2018: 3,3 Mio. Menschen in Not
Afghanistan 2018: 3,3 Mio. Menschen in Not

Zwischen 2014 und 2016 gab es beispielsweise einen Anstieg der Zahl der Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen um 110 Prozent (von 25 auf 53).  163 Prozent mehr Gesundheitseinrichtungen wurden aufgrund von Attacken geschlossen (Steigerung von 72 auf 189). Die Zahl der zivilen Opfer ist in den ersten neun Monaten des Jahres 2017 mit  8.019 die höchste dokumentierte der letzten drei Jahre. Zwei Drittel dieser zivilen Opfer waren Frauen und Kinder.

„Mit jedem neuen Abschiebetermin, also monatlich, halten Menschenrechtsorganisationen, Kirchen und Wohlfahrtsverbände neue Stellungnahmen bereit und verweisen auf neue internationale Zahlen, die jedes Mal im ganzen schlechter werden. Wann verschließt die deutsche Politik, allen voran der Bundesinnenminister und die meisten seiner Länderkollegen, vor diesen Tatsachen nicht mehr die Augen? Es ist doch absurd, zu glauben, dass die Sicherheit Afghanistans und die Deutschlands durch die Abschiebungen steigt. Stattdessen steigt die Not in Afghanistan und damit die Begründung zu fliehen. Und es steigt in Deutschland mit der Alltäglichkeit der Diskussion über Ausreisepflichtige und Auszugrenzende, über kriminelle Ausländer und über Ausländer überhaupt, über „die“ und „wir“, der Alltagsrassismus.“, erklärt Ulrike Seemann-Katz, Vorsitzende des Flüchtlingsrat M-V e.V.

Hintergrund:

In 2017 stellt bis zum 31.10. 14.442 Menschen aus Afghanistan einen Asylantrag. Afghanistan ist nach Syrien () und Irak () damit das drittstärkste Herkunftsland. Es wurde im September und Oktober durch die Türkei abgelöst, die aber mit 6.470 Anträgen für das ganze Jahr nur den 6. Platz belegt (Quelle: BAMF, Aktuelle Zahlen zu Asyl).

Im gleichen Zeitraum gab es noch 13.322 anhängige Verfahren aus den Vorjahren. Im Juli 2017 wurde die Entscheidung über Asylanträge unter dem Eindruck des Anschlags auf die deutsche Botschaft in Kabul ausgesetzt. Bereits im August wurde wieder entschieden. 45.735 mal wurde ein Schutz erteilt, 52.250 Anträge wurden abgelehnt, 5.368 Anträge wurden als formal erledigt erklärt. (Quelle: BAMF, Asylgeschäftsstatistik kumuliert 01-10 2017) Während die Schutzquote bundesweit bei unter 50% liegt, liegt sie in M-V aber höher: bei 61%.

Die meisten Afghanen klagen gegen die Ablehnungen vor den Verwaltungsgerichten.