PE: Dezentral unterbringen, umverteilen und Jürgenstorf schließen

Presseerklärung 02.02.2012

Dezentral unterbringen, umverteilen und Jürgenstorf schließen

Zur heutigen Behandlung des Antrages der Linken „Schließung der Gemeinschaftsunterkunft Jürgenstorf“ im Plenum des Landtages erklärt der Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern:

Der Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern e.V. hat wiederholt seine Kritik an der gemeinschaftlichen Unterbringung von Flüchtlingen geäußert und die dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen in unserem Bundesland gefordert.

Der Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern erneuert seine grundsätzliche Forderung, allen Flüchtlingen die Wahlfreiheit der Unterbringung zu geben und insbesondere Familien mit schulpflichtigen Kindern dezentral unterzubringen. Wenn letzteres landesweit umgesetzt würde, gäbe es viel Platz in den derzeit vollen Heimen. Auf diesen Platz können die Menschen umverteilt werden, die im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte aufgrund der aktuellen Gesetzeslage oder wegen verstärkten Betreuungsbedarfes nicht dezentral untergebracht werden dürfen.

Flüchtlinge, die in Deutschland einen Asylantrag stellen, dürfen grundsätzlich nicht selbst entscheiden, wo und wie sie leben möchten. Sie werden nach bestimmten Quoten auf die Bundesländer und Kommunen verteilt. Während der ersten sechs Wochen bis zu drei Monaten müssen sie in Mecklenburg-Vorpommern in der Erstaufnahmeeinrichtung Nostorf/Horst bei Boizenburg wohnen. Danach werden sie auf eine der zehn kommunalen Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber_innen in Mecklenburg-Vorpommern verteilt. Dort leben sie oft über viele Jahre. Ein „Spitzenreiter“, der dem Flüchtlingsrat bekannt ist, ist ein Flüchtling in Rostock, der in diesem November 21 Jahre in Gemeinschaftsunterkünften gelebt haben wird.

„Die Unterbringung in Lagern, wo Menschen in Mehrbettzimmern mit Fremden, mit Gemeinschaftsküchen und Gemeinschaftstoiletten jahrelang leben, ist eine der diskriminierenden Sonderregelungen gegen Flüchtlinge in Deutschland. Sie isoliert, macht krank, führt zum Verlust von Kompetenzen und Fähigkeiten, kostet viel Geld und betrifft derzeit rund 1.000 Personen in Mecklenburg-Vorpommern. Diese Lagerhaltung gehört abgeschafft.“, so Ulrike Seemann-Katz, Vorsitzende vom Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern.

Rund 150 Flüchtlinge lebten im November 2011 in Jürgenstorf (Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Hikmat Al-Sabty, Drucksache 6/46). Seit die Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber_innen in Jürgenstorf 2004 eröffnet wurde, regt sich sowohl unter den Bewohner_innen der Unterkunft als auch ehren- und hauptamtlichen Unterstützer_innen immer wieder Widerstand.

Jürgenstorf ist das letzte der zehn kommunalen Asylbewerberheime in Mecklenburg-Vorpommern, welches sich nicht in einer Stadt befindet. Fünf Kilometer von Stavenhagen entfernt, ist die Lage ein Hindernis für die Integration. Angesichts der Bezüge nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ist die Möglichkeit der Teilhabe am öffentlichen Leben sehr stark eingeschränkt bis unmöglich. Die Erreichbarkeit von Behörden, Ärzten, Rechtsanwälten, Supermärkten sowie kultureller Angebote sind für die Flüchtlinge nur mit großen finanziellen und zeitlichen Anstrengungen möglich. Damit ist ihnen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben von vornherein erschwert. Diese Bedingungen lassen an der Integrationsbereitschaft der deutschen Gesellschaft zweifeln.

Verbesserungen an der konkreten Situation im Heim (z.B. Deutschkurse, Küchenausstattung, Sanierung), die im Gespräch sind, ändern nichts an der Lage fünf Kilometer von Stavenhagen und den damit verbundenen Folgen für Gesundheit und Integration der Bewohner_innen. Deswegen bekräftigen wir unsere Forderung nach schnellstmöglicher Schließung dieses Heimes und Schaffung neuer Unterbringungsmöglichkeiten in größeren Kommunen.

Die Presseerklärung als PDF hier: PE 2.2.2012 Jürgenstorf